Google Glass und die Tonübertragung über den Knochen

Google Glass und die Tonübertragung über den Knochen

20. April 2013 Beratung Wissen 0

Bei der neuen Google Brille „Glass“ wird die Übertragung des Tons wie bei Hörgeräten durchgeführt.

Das ist jedenfalls oft in der Presse zu lesen. So ganz falsch ist es nicht, aber richtig auch nicht.
Google selbst schreibt in den technischen Daten: Audio Bone Conduction Transducer (dt. Knochenleitungsübertragung)
Diese Art der Übertragung gibt es auch bei Hörgeräten, ist jedoch ein Nischenprodukt bei seltenen Arten der Schwerhörigkeit, die oft auch operativ behandelt werden können.

Doch wie funktioniert eine Knochenleitungsübertragung?

Hier müssen wir etwas ausholen, denn wenn die Grundlagen verstanden sind, werden auch die Vor- und Nachteile einfach verständlich.

Zuerst muss man sich den Aufbau des Ohres vorstellen:

  1. Ohrmuschel
  2. Gehörgang
  3. Trommelfall
  4. Gehörknöchelchenkette
  5. Ovales Fenster
  6. Hörschnecke mit den Haarsinneszellen

Beim „normalen“ Hören wird der Schall, wie mit einem Trichter aufgefangen und in den Gehörgang geleitet. Also wie bei einem Trichter wird hier schon durch die Ohrmuschel mehr Schall eingesammelt.
Das Trommelfell hilft die Luftschwingung in eine Bewegung der Gehörknöchelchenkette zu übertragen, die wiederum per Hebelwirkung das ovale Fenster in die mit Flüssigkeit gefüllte Hörschnecke drücken und herausziehen. Bei einem 1000 Hz Ton 1.000 mal pro Sekunde. Durch die Hebelwirkung der Gehörknöchelchenkette und dem Größenunterschied vom Trommelfell zum ovalen Fenster wird nochmals eine Vertärkung durchgeführt.
Die Haarsinneszellen werden in Bewegung gebracht und ein Ton/Geräusch wird wahrgenommen.
Der letzte Teil ist sehr komplex, hier spielt noch die Frequenzauflösung eine Rolle und die verschiedenen Arten der Haarsinneszellen sowie die Lautstärke – doch zum Verständniss der Knochenleitung reicht die einfachere Darstellung.

Somit ergibt sich eine Verstärkung von 26,87 dB. Link

Die Übertragung über den Knochen:

  1. Ein Vibrationshörer wird auf das Schläfenbein gedrückt.
  2. Die ausgelöste Vibration wird an das Felsenbein weitergeleitet das die Hörschnecke umhüllt.
  3. Die Vibration bringt die Flüssigkeit im Innenohr in Schwingung
  4. Die Flüssigkeit die Haarsinneszellen (auch hier sehr vereinfachter Ablauf)

Die Funktionen der Ohrmuschel, Trommelfells und der Gehörknöchelchenkette werden umgangen um möglichst direkt das Innenohr anzusprechen. Hierzu muss ein hoher Energieaufwand betrieben werden, da der Schädel eine recht träge Masse darstellt.

Vorteile:

  1. Der Gehörgang bleibt frei
  2. Sehr unauffällig
  3. Es dringt kein Schall nach außen
  4. Verwendbar, auch wenn Hörschutz getragen wird

Nachteil:

  1. Sehr Energieaufwändig, da die normale Verstärkung des Mittelohres fehlt und zusätzlich der Schädel in Schwingung versetzt werden muss
  2. Eine geringe Frequenzbandbreite, da hohe Töne weniger leicht den Schädel in Schwingung versetzen können als tiefe Töne
  3. Eingeschränkte Lautstärke, da die Leistung der Vibrationshörer sehr begrenzt ist (50 dB mehr Ausgangsbedarf als bei einem normalen Lautsprecher um die selbe Lautstärke wahrzunehmen)
  4. Bei Glasknochen ist sehr stark von einem Gebrauch abzuraten
  5. Solange die Knochen nicht voll ausgehärtet sind können Mulden an der Auflagefläche entstehen – bitte nutzen Sie die Google Glas nicht bei Kindern –

Zusammenfassung:

Die Idee der Knochenleitung ist gut und für Sprachübertragungen zu gebrauchen. Als Kopfhörerersatz zum Musikhören eher ungeeignet.
Bei Kindern 0-7 sollte die Art der Schallübertragung möglichst vermieden werden und bis zum 15. Lebensjahr nur selten genutzt werden.

Ich freue mich auf die Google Glass und bin sehr gespannt auf die Einsatzmöglichkeiten.

Links zum Thema: