Was können Hörgeräte?
Wer sich diese Frage stellt hat schon weiter gedacht als viele Menschen die sich das erste mal mit Hörgeräten beschäftigen. Denn Hörgeräte sind keine einfachen Hörverstärker, sondern echte „Körperersatzstücke“ zum Ausgleich von Einschränkungen im alltäglichen Leben.
Hörverstärker sind keine Hörgeräte
Hörverstärker
In vielen Shops und Anzeigen stolpert man über Angebote von Hörverstärkern. Hörverstärker sind sehr einfache Geräte, die Schall um einen gewissen Anteil verstärken. Bei einem breitbandigen Schallleitungshörverlust können diese Verstärker auch gute Dienste verrichten, doch diese Art der Schwerhörigkeit hat einen Anteil von deutlich unter einem Prozent bei Schwerhörigkeiten.
Ein Schallleitungshörverlust kann durch einem Pfropf im Ohr, einem Loch im Trommelfell oder auch durch eine Mittelohrentzündung verursacht werden und ist in der Regel heilbar.
Was machen denn dann Hörgeräte anders?
Hörgeräte sind Medizinprodukte, an die besondere funktionale und technische Ansprüche gestellt werden.
So müssen Hörgeräte eine Schutzschaltung besitzen, damit ein definierter maximaler Schalldruck im Ohr ankommt. – keine Schädigung des Hörvermögens durch ein Hörgerät –
Hörgeräte müssen auf den jeweiligen Hörverlust des Trägers eingestellt werden, damit nicht nur alles lauter wird, sondern das Sprachverstehen steigt.
Die normale Schwerhörigkeit ist eine Innenohrschwerhörigkeit die meist zu den höheren Tönen ansteigt. Also tiefe Töne werden besser gehört als hohe Töne.
Eine Schwierigkeit bei Innenohrschwerhörigkeiten ist die veränderte Wahrnehmung von unterschiedlichen Lautstärken.Diese Empfindlichkeitsveränderung ist auch bei gleichaussehenden Messkurven oft sehr Unterschiedlich ausgeprägt.
Als Beispiel:
Bei einem Test wird ein Ton z.B. 2.000 Hz vorgespielt. Beginnend mit einer Lautstärke von -10dB und dann Schrittweise immer 5dB lauter.
Der Kunde soll sich melden, sobald der Ton ganz leise, eben so grade Wahrgenommen wird.Der Normalhörende würde sich etwa bei 0 dB melden.
Bei einer Schwerhörigkeit können leicht 65dB notwendig sein um den Ton Wahrzunehmen.Also ist die Wahrnehmung des Schwerhörigen bei 65dB so wie die eines Normalhörenden bei 0 dB.
Beiden wird es jedoch bei dem nächsten Test um 120dB zu laut.
Somit hat der Normalhörende einen Hörbereich (bei 2.00Hz) von 0 – 120 dB mit den Empfindungen Grade Hörbar bis Unangenehm laut.
Derjenige mit dem Hörverlust hat einen Hörbereich von 65 – 120 dB mit den gleichen Empfindungen.Also muss ein mögliches Hörgerät theoretisch leise Geräusche um 65dB verstärken und laute Geräusche nicht verstärken.Sonst würde ja ein Geräusch in Sprachlautstärke das bei 60 bis 70 dB liegt um 65dB verstärkt werden und somit schon im Schmerzbereich des Kunden liegen.
Nun hört der Schwerhörige nicht alle Frequenzen gleich schlecht, sondern jede Frequenz hat einen anderen Hörbereich. Zum einen bei der Hörschwelle als auch bei der Schwelle des unangenehmen Hörens.
Diese sogenannte U-Schwelle ist oftmals durch die Innenohrschwerhörigkeit auch noch zu den leiseren Lautstärken verrückt.(Sehr vereinfacht dargestellte Erklärung)
Hörgeräte müssen also bei unterschiedlichen Frequenzen unterschiedlich verstärken und Zeitgleich den Empfindungsunterschied ausgleichen.
Doch wenn dieser Ausgleich schnell vorgenommen wird geht sehr viel von der Sprachverständlichkeit verloren.
Wenn der Ausgleich langsam vorgenommen wird, werden plötzliche Geräusche unangenehm und das Hörgerät ändert zu oft hörbar die Laustärke.
Erst mit den ganz neuen Hörgeräten konnte das große Ziel erreicht werden die Geräusche ohne Sprachanteile sehr schnell zu komprimieren sowie Geräusche der Sprache langsam zu beeinflussen.
Und das zeitgleich in 48 verschiedenen Frequenzbereichen unabhängig voneinander.
Wenn sie mir bis hier folgen konnten, werden Sie schon festgestellt haben: Hörgeräte sind keine einfachen Hörverstärker.
Aber zurück zum Thema: Was können Hörgeräte?
- Hörgeräte arbeiten mit einer Anzahl von Frequenzbändern 2 – 48
- Es arbeiten Kompressoren für den Hörempfindungsabgleich in diesen Frequenzbändern
- Es erfolgt eine Störschallreduzierung
- Spracherkennungssysteme verändern die Verstärkung sobald Sprache erkannt wird
- Situationserkennungen helfen die Grundautomatik und Verstärkung in verschiedenen Situationen optimal vorzujustieren
z.B. Ruhe, Sprache, Störgeräusche, Sprache im Störgeräusch, Musik, KFZ - Impulsschallreduzierung
- Rückkopplungsauslöschung
- Richtungserkennung
- Richtmikrofone
- Blouetoothverbindung zum Telefon
- Automatische Telefonerkennung
- Fernbedienbar
- Kopfhörerfunktion
- Batteriewarnsignal
- Anschluss von Funkmikrofonen
- Simulation der Ohrmuschelcharakteristik
- Zusammenarbeit von zwei Hörgeräten um besser auf Hörsituationen einzugehen
- Aufladefunktionen
- Automatisches Ein- und Ausschalten
- Automatische Lautstärkenregelung
- Streaming von TV direkt in die Hörgeräte
- Elektronische Windgeräuschreduzierung
Dies ist eine nicht vollständige Liste von Funktionen.
Wie geht das?
Ein Hörgerät ist Heute ein kleiner Computer der mit gut 250MHz in bis zu 4 Recheneinheiten Zeitgleich arbeitet und teilweise mit nur 0,7mA Stromaufnahme auskommt.
Eine Hörgerätebatterie arbeitet mit 1,4 – 1,5 Volt. Somit benötigt ein HighEnd Hörsystem gut 1mWatt.
Starke Hörgeräte benötigen wegen der größeren Leistungsaufnahme mehr, doch 1mW ist tausendmal weniger als ein aktueller TV im Standbymodus.
Hörgeräte sind HighTech
Hörgeräte sind weit weg von einfachen Hörverstärkern. Und die Aufgabe der Hörgeräteakustiker ist in den letzten Jahren sehr viel Umfangreicher geworden, denn jedes Hörgerät wird individuell auf den jeweiligen Hörverlust und die Hörwahrnehmung des Kunden eingestellt. Auch die Auswahl des passenden Hörgerätes ist nicht mehr nur nach einem kurzen Hörtest erledigt, denn inzwischen muss der Akustiker zuerst herausfinden welche Techniken der einzelne Kunde benötigt, denn nur wenn der Akustiker hier Einblick bekommt kann er für Sie ein Hörgerät auswählen, das alles kann was nötig ist und Funktionen ausschließen die überflüssig sind.
Wie geht es weiter?
Wenn die Ansprüche an die Technik geklärt sind kommt der Punkt an die Reihe der von fast jedem Kunden als erstes Angesprochen wird.
Die Bauform.
Je nach Hörverlust kann eine andere Bauform empfohlen werden, wichtig ist es hier keine faulen Kompromisse einzugehen.
Erst die Technik dann die Bauform. Denn ein Hörgerät das Ihnen nicht das bringt was Sie sich erhoffen, werden Sie nicht tragen. Egal ob es klein, blau, groß oder vergoldet ist.
Hier ist aber die beratende Akustiker gefragt.